Idee der (partiellen) Selbstversorgung im Erzgebirge

Anhand der zunehmend komplexeren Weltlage, die sich nicht nur in politischen, Wirtschafts- und Klimakrisen äußert, sondern sich auch ganz konkret im Portemonnaie der Verbraucher niederschlägt, träumen viele Deutsche von absoluter Unabhängigkeit und Autonomie. Auch hier bei uns findet die Idee der Selbstversorgung immer mehr Sympathisanten.

Unabhängig von Lebensmittelkonzernen sein

Diese begegnen beispielsweise den Preissteigerungen bei Lebensmitteln mit dem Anbau von eigenem Obst und Gemüse. Das ist im Erzgebirge so manches Mal eine echte Herausforderung - so beispielsweise wartet das Wetter auf dem Fichtelberg, als höchste Erhebung ganz Ostdeutschlands, mit seinen mit 1.215 Höhenmetern, im Juni und Juli mit einer Durchschnittstemperatur von gerade einmal 11,2 Grad auf. Traditionell wachsen in unseren Bergwäldern viel mehr Moose, Pilze und Beeren. Die Bergwiesen sind dagegen vor allem für ihre Vielfalt an Heilpflanzen bekannt. Trotz des nicht ganz so günstigen Klimas besticht das Erzgebirge mit einem dicken Extra an Natur - und verschiedene Höfe beweisen, dass es durchaus möglich ist, auch in etwas ungünstigeren Lagen eigenes Obst und Gemüse anzubauen und sich zu einem nicht unerheblichen Teil von Zukäufen unabhängig zu machen. Beispielsweise bietet der Hollerhof Obst und Gemüse aus eigener Ernte an, erwirtschaftet sogar einen Überschuss und hat sich inzwischen ganz der Selbstversorgung nach John Seymour verschrieben.

Alternatives Wirtschaften mit Tauschringen

Der britische Farmer ist mit seinen Büchern bekannt geworden, die eine Anleitung zur modernen Selbstversorgung bieten. Er begann bereits in den späten 1950er-Jahren, auf einem Hof ausschließlich von eigenen Erzeugnissen zu leben. In den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellte er eine möglichst geschlossene, natürliche Kreislaufwirtschaft, die im krassen Gegensatz zur industriellen Überproduktion einzelner Lebensmittel und Monokultur stand. Da Seymour aber wusste, dass es für den einzelnen Menschen schwierig ist, alle Güter des täglichen Bedarfs selbst zu erzeugen, war er gleichzeitig ein großer Befürworter von Tauschkultur und Nachbarschaftshilfe. Auch im Erzgebirge haben sich viele regionale Tauschringe gebildet, etwa im Vogtland. Hier geht - es nicht unbedingt in erster Linie um den Tausch von Hoferzeugnissen, sondern auch von Dienstleistungen, für die man üblicherweise bezahlen muss, vom Tapezieren des Flurs bis hin zum Haarschnitt. Wer sich einem Tauschring anschließt, macht sich zumindest zu einem kleinen Teil vom Geldkreislauf unabhängig - und lernt so auch mal seine Nachbarn kennen. Selbst im entlegensten Tal ist es möglich, Teil einer Tauschgemeinschaft zu werden, solange man über W-LAN verfügt, denn mittlerweile hat sich die Organisation vieler Tauschringe ins Internet verlagert. Diese alternative Wirtschaftsform kann eine sinnvolle Ergänzung zum eigenen Lebensmittelanbau sein - und ein nachhaltigeres, ursprünglicheres Leben ermöglichen. Hierzu gehört übrigens auch die Haltbarmachung der angebauten Lebensmittel - sei es mittels Einkochen, Einlegen, Trocknen oder Fermentieren.

Heißes Wasser via SolarkollektorBildquelle: Vijayanarasimha via pixabay

Eigene Trinkwasserversorgung

Wer nicht über die Landflächen, die Zeit oder die Lust verfügt, seine eigene Nahrung anzubauen, kann sich auf andere Weise von der öffentlichen Versorgung unabhängig machen. Etwa durch eine eigene Wasserversorgung aus Quellen und privaten Brunnen. Schließlich gilt das Erzgebirge als eine der wasserreichsten Regionen. Ganze dreißig Talsperren gibt es hier auf deutscher sowie tschechischer Seite. Kein Wunder, dass sich selbst heute noch Grundstücke und Häuser, die im Erzgebirge zum Verkauf angeboten werden, vielfach durch eine eigene Wasserversorgung mit Trinkwasser auszeichnen. Diese macht ihre Besitzer von den Wasserpreisen der Kommunen und Gemeinden unabhängig und stellt die Trinkwasserversorgung selbst in Krisenzeiten sicher. Eigenes Trinkwasser kann nicht nur aus Grundwasser und Quellen gewonnen werden, sondern auch aus aufbereitetem Regenwasser. Der Handel bietet hier verschiedene Filtersysteme an, mit dem sich das eigene Haus in eine Wasserquelle verwandeln lässt. Der Vorteil: Da Regenwasser von Natur aus kalkarm und damit eher weich ist, bringt es die idealen Voraussetzungen als Trinkwasserquelle mit. Wer von der zentralen Wasserversorgung komplett getrennt ist, spart sich nicht nur die Trinkwassergebühren, sondern spart auch viel Geld für Abwasser.

Ohne Grundbesitz eigenen Strom erzeugen

Nicht jeder verfügt über das entsprechende Objekt oder die Fläche für die Installation von Solarpaneelen. Hier kommen die sogenannten Balkonkraftwerke ins Spiel. Diese lassen sich auch an herkömmlichen Gitterbalkonen anbringen, das Einverständnis des Vermieters bzw. Besitzers vorausgesetzt. Schon mit einer Investition von knapp 400 Euro für das kleinste Balkonkraftwerk lassen sich im Jahr bis zu 430 kWh eigenen Strom erzeugen. Ein Blick auf den persönlichen Jahresverbrauch zeigt, wann sich die Investition gerechnet hat. Im Durchschnitt geht man davon aus, dass ein Single-Haushalt etwa 1.300 - 2.500 kWh pro Jahr verbraucht, im Mittel also 1.900 kWh. Hier hätte sich die Anfangsinvestition in etwa viereinhalb Jahren amortisiert. Für die Balkonkraftwerke von Kleines Kraftwerk weist der Hersteller sogar eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren aus, was schon eine recht lange Betriebszeit ist. Seit 2015 ist der Betrieb dieser sogenannten Stecker-Solaranlagen in Deutschland vollkommen legal, das heißt, jeder ist berechtigt, seinen eigenen klima- und haushaltsgeldschonenden Strom zu produzieren.

Photovoltaik auf dem Berghausdach, braucht es nur noch etwas Sonne!Bildquelle: pixabay

Vollkommen autark

Wichtig in dem Zusammenhang zu wissen: Vollkommen autark zu leben ist in Deutschland gar nicht möglich. So etwa muss jeder Bundesbürger krankenversichert sein. Wer jedoch die vorstehenden Maßnahmen ganz oder zum Teil umsetzt, wird bald schon die Vorteile eines weitestgehend autarken Lebens spüren. Dieses ist in allererster Linie ein freieres Leben, da der Selbstversorger nicht mehr in dem Maße vom Wirtschaftskreislauf abhängig ist wie jemand, der sich nicht selbst versorgt. Dies kann sogar dazu führen, dass es einem möglich ist, den ungeliebten Job zu kündigen oder zumindest nur noch in Teilzeit auszuüben. Das "weitestgehende Selbstversorgertum" spart in allererster Linie erst einmal eine Menge Geld. Je mehr man anfänglich in ein autarkes Leben investieren kann (etwa in einen eigenen Brunnen, ein Balkonkraftwerk oder einen Dörrautomaten), desto leichter und günstiger fällt es im Weiteren aus. Mittel- bis langfristig dürfte sich diese partielle Unabhängigkeit spürbar im Portemonnaie niederschlagen. Darüber hinaus geht der autarke Lebensstil zumeist mit einer viel besseren Gesundheit einher, allein schon deswegen, weil somit auf einige industriell hergestellte Lebensmittel verzichtet wird und man sich aufgrund des Lebensmittelanbaus zwangsweise viel in der Natur bewegt, das Sonnenlicht das Vitamin D aktiviert und man ja so auch fast ausschließlich "Voll-BIO-Lebensmittel" essen muss.