Paradiesgarten als weihnachtliches Relikt des Erzgebirges

Kleine Miniaturlandschaft hat eine lange Tradition

Ein fast vergessenes weihnachtliches Relikt des Erzgebirges und oberen Vogtlandes ist der Paradiesgarten. Bei den Leuten im Gebirge auch Garten, Paradies, Lust- oder Weihnachtsgarten genannt. Diese kleine Miniaturlandschaft ist schwer einzuordnen: nicht Krippe und nicht Heimatberg, von jedem etwas.

Seinem Namen nach mag er ursprünglich tatsächlich Szenen aus dem Paradies beherbergt haben. Die Beziehung zu Adam und Eva, die Weihnachten ihren Namenstag haben, lässt sich vermuten. Jedoch waren weder die beiden noch Schlange und Apfelbaum auch in den älteren Paradiesgärten nicht zu finden. Die Beziehung zum Paradies finden wir auch in den frühesten Motiven des Schwibbogens.

Auf ebener Fläche, von einem Zäunlein aus Zinn oder Holz umgeben, tummelt sich im Moos allerlei Getier, billige Masseschäfchen, Pfennigvieh. Da eine Schäferei, dort eine Jagd, die Figuren gedrechselt oder aus Masse. Und als Hauptsache dürfen die Bäume nicht fehlen, viele Bäume.

Niemanden stört die unterschiedliche Größe, auch nicht das unterschiedliche Material, aus dem sie hergestellt sind. Die meisten waren irgendwann vom Weihnachtsmarkt mitgebracht, wie uns 1926 Truckenbrodt aus Johanngeorgenstadt bestätigt. Aber gerade die Buntheit macht den Reiz des Paradiesgartens aus.

Die Geschichte des Paradiesgartens ist schnell erzählt: 1846 stellte man die Pyramide auf den Tisch und baute den Garten so um sie auf, als sei sie aus ihm herausgewachsen. Und es ist, als werde ein Teil der Figuren lebendig durch die Drehbewegung der Teller. Runde zwanzig Jahre später, 1865, wuchs die Pyramide aus einem dicken, aus dem Wald geholten Moospolster empor, in das man allerlei Figuren gestellt hatte.

Üblich war aber auch, einen solchen Garten um den Weihnachtsbaum aufzubauen. Die Moospolster verhüllten den Ständer aus Eisen oder Holz und täuschten einen Hügel vor. So entstand beim Betrachten der Eindruck, als wüchse daraus ein Baum, der Weihnachtsbaum. Durch die Hügellandschaft rückte der Paradiesgarten dem Heimatberg näher.

Der heimische Dichter Fritz Thost, selbst Schnitzer und Bastler, schrieb vor rund 70 Jahren über seinen Paradiesgarten: "Mein Herz nahm sich zu Lehen ein Wundergärtlein fein, darin darf all's geschehen, was mir nur so fällt ein."

Moritz Spieß aus Annaberg berichtet über einen Paradiesgarten vor 150 Jahren: Er war ein mit Moos ausgelegtes Brett, das ein Zäunlein umgab. Oder er wurde besonders an der Wand oder in einer Ecke aufgestellt. Aus dem Moos glänzten Steine, Erze oder abenteuerlich aussehende Wurzeln aus dem Wald. Mittelpunkt war der Stall, in dem die heiligen Leute, Ochs und Esel ruhten, die dem Christkind den ausgehenden Odem wieder einblasen sollten.

Seitwärts traten die Hirten mit ihrer Herde, denen der Engel erschien. Im Hintergrund war Sand gestreut. Auf dieser künstlichen Wüste kamen die heiligen drei Könige gezogen. Auf erhöhten Absätzen standen verschiedene Gruppen, meist aus der biblischen Geschichte. Die Höhe bildete die Stadt Bethlehem, durch Häuser angedeutet. Über der Stadt war ein großer Stern an der Stubendecke befestigt.

Wahrscheinlich ist der heimische Paradiesgarten älter als die hineingestellte Pyramide. 1846 heißt es bei Richter in seiner Beschreibung von Sachsen, dass man zu Weihnachten die Pyramide auf den Tisch stellt und, kann man es ermöglichen, in einen Paradiesgarten. Die von Gustav Klemm um 1865 beschriebene Pyramide steht in einem Garten, der mit Moos ausgelegt ist, in das man Holzfigürchen gesteckt hat. Im Jahre 1909 schreibt John, dass sich die Christgeburt meist inmitten eines Paradiesgartens befindet.

Der Paradiesgarten kam nach dem Zweiten Weltkrieg außer Gebrauch. Die kleine Wohnung bot kaum noch Platz für den Weihnachtsbaum. Oft rückte dieser auf den Balkon. Die Pyramide musste sich mit einem Platz auf der Anrichte begnügen. Wo sollte da noch ein Paradiesgarten hin?

Eine kleine Fortsetzung findet er in den Dörfern da und dort, indem man den Zwischenraum der Kastenfenster mit Moos auslegt, mit kleinen Fliegenpilzen aus Pappmaché besetzt und mit allerlei Figuren bestückt. Da kann's schon sein, dass eine Jagd dargestellt wird, eine Schafweide oder eine Krippe. Und über allem steht der Schwibbogen, den Sternhimmel symbolisierend. Gehen die Kinder vorbei, quetschen sie die Nase gegen die Scheibe, um die kleinen Wunderdinge zu sehen.